Bildung ist mehr als Sozialpolitik (Tagespost-Kolumne Teil 9)
Bildung bereitet auf eine unbekannte Zukunft vor. Wie diese aussehen wird, hängt davon ab, wie die Möglichkeiten der Freiheit mit Leben gefüllt werden. Es geht um mehr als kurzfristige, passgenaue, an aktuellen Marktveränderungen ausgerichtete Qualifizierung durch lebenslanges Lernen. Eine durch Bildung substanziell bestimmte Lebensform führt dazu, dass der Einzelne sein Leben aktiv gestalten, sich einen fachlichen Selbststand und ein damit verbundenes berufliches Selbstbewusstsein erarbeiten kann. Er soll fähig werden, selbst zu erkennen, wo er gefordert ist, nach kreativen Lösungen zu suchen.
Keine sozialethische Stellungnahme kommt heute ohne Bezug auf Bildung aus. Einmal mehr wird diese in der Ökumenischen Sozialinitiative als Teil vorsorgender Sozialpolitik begriffen. Das gutgemeinte Anliegen verkehrt sich leicht in eine Rhetorik der Anpassung: Bildung soll auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren, das Gesundheitssystem entlasten und den demographischen Wandel abfedern. Auch in der Bildungsethik geht es um gemischte Urteile. Ob normative Forderungen gerechtfertigt sind, bleibt abhängig von pädagogischen und erziehungswissenschaftlichen Erkenntnissen. Dabei sind die Folgen bildungspolitischer Maßnahmen oft weniger klar, als empirische Studien suggerieren. Messen lassen sich Lernfortschritte oder Übungseffekte. Bildung kann gefördert, nicht aber vermessen werden. Sie ist Beziehungsarbeit.
Der Beitrag von Axel Bernd Kunze ist in der "Tagespost" erschienen. Lesen Sie hier im PDF weiter.