Elterliche Erziehung der Erwerbsarbeit gleichstellen
Naturgemäß sind wir als Interessenvertretung der Familie der Überzeugung, Familie müsse ein Querschnittsthema sein. Unser Diskussionsbeitrag wird aber die Themen 'Globalisierung der Wirtschaft' und 'Bewahrung der Schöpfung' aussparen – nicht, weil wir sie nicht als gleichberechtigt ansehen, sondern, um den unserem Verband zustehenden Part in der Diskussion wahrzunehmen.
Grundsätzlich empfinden wir das Papier als ermüdend, weil die Probleme in der suggestiven politischen Alltagssprache beschrieben werden, die vage und unverbindlich bleibt, auch wenn sie bedeutungsschwer anmutet. Allgemeinplatz folgt auf Allgemeinplatz. So erfährt der Leser auch bei den Lösungsansätzen nichts Neues.
Das Vorwort benennt als Probleme, die das Thema 'Familie' entfernt streifen, den demographischen Wandel und eine zunehmende soziale Ungerechtigkeit. Ein Problemfeld 'Niedergang der Familie' wird nicht gesehen, konkrete Ursachenforschung nicht betrieben.
Aus den zehn Thesen zur "Gemeinsamen Verantwortung" greifen wir beispielhaft heraus:
Punkt 2: "Gemeinsame Verantwortung heißt, die Soziale Marktwirtschaft nachhaltig weiterzuentwickeln" (S. 19 ff)
Befund der Autoren: Angesichts der zunehmend weiter klaffenden Schere zwischen Arm und Reich muss "die Solidarität über die Generationen hinweg sichergestellt" werden. Besonders benannt wird die Befähigung zur "Beteiligung am regulären Erwerbsleben". Gleichzeitig wird eine neue Balance mit der "Steigerung des Beziehungswohlstandes" in Form von mehr zwischenmenschlicher Aufmerksamkeit bei Pflege, Erziehung, liebevoller Zuwendung eingefordert.
Familienarbeit endlich nicht als Hobby, sondern als Leistung für die Gesellschaft bewerten
Für den VF hätte hier die Diskrepanz dieser beiden Aspekte im Hinblick auf die Familie angesprochen werden müssen. Die den Eltern verfügbare Zeit kann nur entweder der Erwerbsarbeit oder der familiären Präsenz gewidmet werden. WENN Erwerbsarbeit und Familienarbeit gleichwertig nebeneinander stehen sollen, muss sich auch der finanzielle Ertrag beider Arbeitsfelder adäquat darstellen. Zur Diskussion stünde dann ein Erziehungsgehalt, das die Familienarbeit endlich nicht als Hobby, sondern als eigenständige Leistung für die Gesellschaft bewertet.
Kritisch zu prüfen wäre demgegenüber z.B. ein Elterngeld, das als Lohnersatz fungiert, also quasi als Schadensersatz wegen der Erziehung der eigenen Kinder. Es führt dazu, dass die bestverdienenden Eltern die höchsten Ausgleichszahlungen bekommen, während Mütter, die zwischen mehreren Geburten nicht erwerbstätig sind, weil sie ihre älteren Kinder selbst betreuen (wollen), mit dem Minimalsatz abgespeist werden. Es hätte den Autoren wohl angestanden, die Frage zu stellen, ob ein Gesetz mit dieser - elterliches Verhalten bestrafenden - Auswirkung überhaupt mit der Verfassung konform geht, die im Art. 6.2 festlegt, dass die Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht ist.
Noch tiefer greifend hätte ein Exkurs ins Rentenrecht folgen müssen:
a) Vorab wäre Stellung zu beziehen zu einer nicht mehr zeitgemäßen, sehr eingeschränkten Rentensolidarität infolge der Beitragsbefreiung einiger Teile der Bevölkerung (Beamte, Selbständige, Besserverdienende mit Beitragsbemessungsgrenze), Stichwort: Bürgerversicherung.
b) Eltern zahlen doppelt in die Rentenkasse ein: Einmal durch die rentenversicherungspflichtige Erwerbsarbeit und ein weiteres Mal durch Erziehung der nachwachsenden Beitragszahler.
Aus Sicht des VF sind beide Beiträge als gleichrangig zu bewerten und müssen zu zwei eigenständigen Renten führen. Dies würde eine vorrangig die Mütter betreffende Altersarmut verhindern, die durch die gleiche Beteiligung (Verpflichtung) zur Erwerbsarbeit nicht behebbar ist. Umso weniger, je mehr Kinder erzogen werden und erzogen werden sollten, um dem "demographischen Wandel" zu begegnen!
Punkt 6: "Gemeinsame Verantwortung heißt, die mit dem demographischen Wandel einhergehenden sozialen Belastungen gerecht zu verteilen." (S. 37 ff)
Nachdem schon im Vorwort auf den "dramatischen" demographischen Wandel hingewiesen wurde, "der die Sozialstruktur unserer Gesellschaft tief greifend verändern wird und unsere sozialen Sicherungssysteme auf eine große Belastungsprobe stellt", erklären die Autoren in ihrer sechsten These: "Auch eine engagierte Familienpolitik wird die gegenwärtige demographische Entwicklung nicht kurzfristig umkehren können." Angesichts der großen finanziellen und personellen Herausforderungen, die die demographische Entwicklung mit sich bringt, wird immerhin "eine deutlichere Berücksichtigung des Beitrags, den Familien mit Erziehungs- und Pflegeleistungen erbringen" gefordert. Es folgt eine an vielen Punkten ansetzende Analyse der Schieflagen und Flickschustereien, die unser Rentensystem kennzeichnen, und dann die erstaunliche Feststellung, dass die Rentenreform 1957 ein "großer Erfolg" gewesen sei.
Ohne elterliche Erziehungsarbeit funktioniert das System nicht
Ehrlicherweise hätte im gleichen Atemzug erklärt werden müssen, dass dieser "große Erfolg" erkauft wurde, indem die Alterssicherung, die zuvor nur durch die Erziehung eigener Kinder erreichbar war, nun an die Erwerbsarbeit gekoppelt wurde. Die elterliche Erziehungsarbeit samt den damit verbundenen Kosten blieb Privatsache, obwohl sie jetzt der alleinige Garant für das dauerhafte Funktionieren des Systems für alle Arbeitnehmer/innen wurde. Angesichts dieser Art "engagierter Familienpolitik" muss sich niemand über die demographische Entwicklung wundern.
Erst der letzte Abschnitt dieses Kapitels formuliert in moderaten Worten die sachlich gebotene Kritik am Rentensystem und die daraus folgenden Korrekturvorschläge. Das geht in die richtige Richtung, wird aber schwerlich den erforderlichen 'Ruck' auslösen.
Punkt 8: "Gemeinsame Verantwortung heißt, eine breite Beteiligung an Erwerbsarbeit als wichtigem Ausdruck gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen." (S. 45 ff)
Hier thematisieren die Autoren zwar nicht in der heute allgemein üblichen Weise die Beteiligung beider Eltern an der Erwerbsarbeit, möglichst in Vollzeit. Aber es wird darauf hingewiesen, dass es immer öfter vorkomme, dass ein Vollzeitlohn nicht zum Lebensunterhalt ausreicht. Im Hinblick auf Familie ist dieser Skandal umso folgenreicher, je mehr Münder zu stopfen sind. Wie oben schon ausgeführt, wäre aus unserer Sicht eine angemessene Honorierung der in der Familie erbrachten Erziehungs- und Pflegeleistungen ein neuer, logisch begründbarer und erfolgversprechender Ansatz.
Punkt 9: "Gemeinsame Verantwortung heißt, durch Bildung die persönliche Entwicklung und den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt zu fördern." (S. 49 ff)
Die Familie wird als vorrangiger, "erster Bildungsort für Kinder" benannt, um dann gleich einschränkend auf das zunehmende Versagen von Eltern hinzuweisen. Die Frage, ob dieses sich von Generation zu Generation verschlimmernde Versagen in der oben dargestellten, durch die Rentenreform von 1957 verursachten Enteignung der Eltern begründet sein könnte, wird leider nicht gestellt.
Nach unserer Überzeugung entzog und entzieht diese Enteignung und die daraus folgende, zwangsweise Konzentration der Eltern auf Erwerbsarbeit der Familie, sprich den Kindern, den Nährboden, auf dem Bildung vorzugsweise gedeihen kann. Die jetzt massiv ausgebauten Angebote frühkindlicher Bildung und umfassender außerhäuslicher Betreuung sind drittbeste Notlösungen für eine vom Staat selbst verursachte Not. Die dadurch und durch Zurückdrängen des elterlichen Einflusses angeblich zu erreichende Chancengleichheit ist ein bildungspolitisches Nivellierungsprogramm. Die Honorierung der elterlichen Erziehungsleistung, wie im ursprünglichen Entwurf der Rentenreform ("Schreiber-Plan") vorgesehen, wäre bei weitem kostengünstiger und effizienter gewesen und wäre das auch in Zukunft.
Bitte beachten Sie auch unsere Pressemeldung zum gleichen Thema.
Kommentare
Kindererziehung, Bildung und Finanzierung
Mir als Mutter von zwei gesunden Kindern und Betreuerin einer behinderten Nichte würde es schon genügen, bekäme ich von der Politik den Rückhalt, den diese Herausforderungen an mich stellen. Es geht dabei um die schulische Bildung, die immer mehr auf die Eltern abgewälzt wird, da Lehrer sich offensichtlich nicht mehr in der Lage sehen, Lerninhalte an die Schüler zu vermitteln. Politik aber fordert die Beteiligung beider Elternteile am wirtschaftlichen Aufschwung des Landes und vergisst dabei, dass man eine Verantwortung übernimmt, wenn man Kinder in diese Welt setzt, die man vielleicht nicht einfach auf Dritte übertragen kann und will. Erziehung ist das Recht der Eltern für die freie Entfaltung der Kinder zu sorgen, nach eigenen Vorstellungen. Das beinhaltet in unserer Gesellschaft das Grundgesetz und die damit verbundene Freizügigkeit einer demokratischen Regierung. Heute gewinne ich persönlich immer mehr den Eindruck, das Recht auf freie Entfaltung wird politisch beschnitten, indem man Eltern wirtschaftlich abhängig macht und gezielt politische Maßnahmen einsetzt, um die Erziehung der Kinder aus den elterlichen Händen zu nehmen und staatlich zu fördern, statt die Eltern so zu unterstützen, dass sie ihren Erziehungsauftrag selbst erledigen können.
Auch werden für Behinderte die nötigen Mittel nur dann zur Verfügung gestellt, wenn die eigenen Mittel dafür nicht ausreichen, was einer Diskriminierung gleich kommt und mich schon an eine Enteignung erinnert. Kein Mensch kann etwas dafür, wenn er Leben auf diese Welt bringt, das den Ansprüchen der Gesellschaft nicht genügen kann und allein deshalb ausgegrenzt wird. Hier muss unbedingt am Anspruchsdenken gearbeitet werden und die Norm muss der Realität angepasst werden, um allen Menschen die gleichen Möglichkeiten innerhalb der persönlichen Grenzen bereit stellen zu können. Auch hier gilt der Grundsatz, gleiches Recht für alle und das beinhaltet vor allem ein Recht auf Arbeit und die Möglichkeit zur Teilhabe am öffentlichen Leben. Es werden Unsummen dafür ausgegeben, dass Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen betreut werden die ihre Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund stellen müssen. Das lässt jedoch einige Ansprüche offen, die die sehr differenzierten Behinderungen mit unterschiedlichsten Schweregraden mit sich bringen. Mir geht es darum, dass schon ein Bruchteil dieser Gelder dafür ausreichen würde, allen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich auf dem Arbeitsmarkt zu etablieren, die dazu mit entsprechender Akzeptanz und Hilfestellung in der Lage wären. Sicher gibt es auch hier Anforderungen an die Eltern, die zu meistern sie teilweise nicht in der Lage sind, doch das von einem allgemeinen Erziehungsauftrag zu trennen ist fatal und falsch. Eltern sind Eltern, ob nun von Kindern mit oder ohne Behinderung. Integration beginnt dort, wo neues Leben seinen Anfang nimmt und nicht dort, wo Politik dies erstmals wahrnimmt.
Eine finanzielle Abhängigkeit sollte durch eine Arbeit abgedeckt sein, die in Familien durch einen Partner in einem Beschäftigungsverhältnis abgedeckt werden kann, egal wie viele und welche Kinder das Paar zu erziehen hat. Ob das nun durch ein Gehalt erfüllt werden kann, durch steuerliche Vergünstigungen ermöglicht wird oder aber durch zusätzliches Erziehungsgeld erreicht wird, das sollte nicht relevant sein. Kindergeld sollte dafür ein Sparpotenzial für die Kinder sein, deren Ansprüche mit zunehmendem Alter wachsen und sich den Werten in der Gesellschaft anpassen. Ich verstehe nicht, wie man Unternehmen von der Familienpolitik ausnehmen kann, denn sie sind die Hauptanspruchsteller an nachfolgende Generationen und haben den größten Nutzen aus diesem Potential. Es gibt die unterschiedlichsten Möglichkeiten für Unternehmer wirtschaftlich und sozial zu handeln.
Ich habe schon einmal an anderer Stelle den Vorschlag gemacht, man könnte unter optimalen finanziellen Voraussetzungen für Eltern das Kindergeld in entsprechenden Sparfonds treuhänderisch anlegen, um für die Zukunft der Sprösslinge ein Startkapital anzusammeln, das sie ausschließlich privat nutzen können. Heute ist dies für „normale“ Familien gar nicht möglich, da ein mittelständiges Gehalt gerade so für die Existenz eines Vierpersonenhaushalts ausreicht und zusätzliche Ausgaben durch die Kinder über das Kindergeld mitfinanziert werden müssen.
Ich glaube es muss ein globales Umdenken stattfinden, das die Verantwortlichkeiten für die Zukunft unseres Landes neu festlegt und dabei die bestehenden Wertevorstellungen berücksichtigt und nicht nur auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten eingeht, die mit den menschlichen Anforderungen einhergehen sollten. Der Mensch beginnt in der Familie und entwickelt sich von dort zu einem Teil der Gesellschaft. Politik nimmt diesem Menschen heute die Freiheit, sich durch seine Familie zu entwickeln und dadurch den Rückhalt zu gewinnen, den er für seine freie Entfaltung benötigt. Sie unterstützt das Bestehende System und vergisst dabei, dass innovativ nur der sein kann, der auch die Freiheit dazu hat. Soziale Sicherheit ist das höchste Gut und wird durch gelebte Werte gestärkt, die heute politisch zerstört werden durch Fördermaßnahmen, die auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse unseres Landes ausgelegt sind und nicht auf die menschlichen Anforderungen eingehen, die für alle Eltern gleichermaßen gelten. Ich finde den Ansatz für ein Erziehungsgeld, das Einkommensabhängig gewährt werden könnte sehr gerecht, denn das gibt den Freiraum, den Familien für die Kindererziehung brauchen. Es kann nicht sein, dass immer wieder wenige Ausnahmen für aktuelle politische Entscheidungen ausschlaggebend sind nur weil sie eine gute Lobby haben und so einer Entwicklung entgegen wirken, die von allen Familien getragen werden muss.