Teilhabe-Jobs als Leitperspektive der Inklusion
Die ökumenische Arbeitsgruppe der Aktion Arbeit des Bistums Trier und der Evangelischen Kirche im Rheinland ("Ök. AG Arbeitsmarktpolitik") begrüßt, dass sich die beiden großen Kirchen in Deutschland nach dem Gemeinsamen Wort "Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit" von 1997 mit der Sozialinitiative "Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft" erneut in den gesellschaftspolitischen Diskurs eingebracht haben.
Die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland rufen mit 10 Thesen zur Neugestaltung der Wirtschafts- und Sozialordnung auf, "sich an der Diskussion über unsere gemeinsame Verantwortung für eine gerechtere Gesellschaft zu beteiligen."1 Dieser Einladung kommt die ökumenische Arbeitsgruppe mit der vorliegenden Stellungnahme gern nach. Sie konzentriert sich darin auf eine kritische Würdigung jener Textpassagen, die einen unmittelbaren Bezug zu ihrem spezifischen Themenbereich, der Situation von Langzeitarbeitslosen, aufweisen.
Immer wieder bringt sich die Ök. AG Arbeitsmarktpolitik durch Projekte, Studien (zuletzt die IST-Studie "Endstation Arbeitsgelegenheit!? Teilhabeperspektiven in Ein-Euro-Jobs"2 unter der Verantwortung von Prof. Dr. Stefan Sell) und Stellungnahmen in den arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Diskurs ein. Sie möchte in einer klaren Option für von Arbeitslosigkeit betroffene Menschen das Bewusstsein für den Wert menschlicher Arbeit schärfen und tritt politisch ein für nachhaltig gestaltete öffentliche geförderte Arbeitsplätze in Privatwirtschaft, Öffentlichem Dienst oder Sozialbetrieben für Menschen, die über einen längeren Zeitraum im Leistungsbezug waren.
Perspektiven für Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit
Als Mitglieder der ökumenischen Arbeitsgruppe begrüßen wir es ausdrücklich, dass die Sozialinitiative "Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft" die Lage von Arbeitslosen als Herausforderung für nachhaltiges politisches Handeln beispielhaft heraushebt und als besondere sozialpolitische Herausforderung bezeichnet, dieser großen Gruppe von Menschen, "die dauerhaft von der Teilhabe an Erwerbsarbeit und damit von sozialen Aufstiegschancen ausgeschlossen sind"3, besser gerecht zu werden.
Unsere Kritik betrifft jedoch die Einschätzungen der Sozialinitiative zur Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die wir für sachlich unzutreffend halten und die im Ton regierungsamtlicher Verlautbarungen politische Erfolge meinen bestätigen zu müssen, wo im Sinne der Option für die Armen eine bessere Gerechtigkeit beharrlich eingeklagt werden muss.
Wir halten es gerade in einer Situation, in der allzu gerne rückläufige Arbeitslosenzahlen veröffentlicht werden, für ein wichtiges Signal, wenn die Kirchen darauf hinweisen, dass es nach wie vor eine verfestigte Sockelarbeitslosigkeit gibt und dass die davon betroffenen Personen mehr denn je in der Gefahr stehen, marginalisiert und stigmatisiert zu werden. Darum können wir die Forderungen der Sozialinitiative an die Politik nur ausdrücklich unterstützen, die auf eine bessere Förderung und konsequentere Unterstützung von Langzeitarbeitslosen abzielen.
Wir können darum die Einschätzungen nicht teilen, dass Transferempfänger in gleicher Weise wie die Lenker staatlicher Finanzmittel Einsicht zeigen müssten, wenn es um Effizienzkriterien bei der Vergabe von sozialstaatlichen Leistungen geht. Denn wir haben gelernt, dass zwar stets von Leistungsempfängern unterhalb der Armutsgrenze Einsicht in die Ausgabendisziplin erwartet und durch bevormundende Restriktionen schnell erzwungen wird, während staatliche Ausgabenpolitik Wirksamkeitskriterien selten gerecht wird und erforderlich Anpassungen etwa zur bedarfsgerechten Abdeckung von Lebenshaltungskosten hinausgezögert werden. Wir sehen auch, wie denen, die nach dem Subsidiaritätsprinzip Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen wollen, immer weniger Mittel unter immer weniger verlässlichen Bedingungen gewährt werden. Darum stehen eine Reihe von Aussagen des Papiers zur Mitverantwortung der Empfängerinnen und Empfänger von sozialstaatlichen Leistungen im Widerspruch zu der Erwartung, dass "Sozialpolitik unter der Leitperspektive von Inklusion und Partizipation (…) darauf ausgerichtet" sei, "Freiheit (neu) zu ermöglichen" und "den Hilfebedürftigen (…) nicht als bloß passiven Empfänger sozialer Leistungen" zu betrachten, sondern ihn in seiner Personalität ernst nimmt.4
Die Ök. AG Arbeitsmarktpolitik teilt die Kritik der Kirchen, dass es im Zuge der Instrumentenreform zu massiven Kürzungen im Eingliederungstitel gekommen ist. Dadurch haben sich die Perspektiven für Langzeitarbeitslose mit multiplen Vermittlungshemmnissen massiv verschlechtert und es kommt zu einem strukturellen Ausschluss dieser Gruppe von der Arbeit. Eine solche Arbeitsmarktpolitik führt entgegen der Einschätzung der Sozialinitiative5 nicht zu einem Abbau der Sockelarbeitslosigkeit, sondern im Gegenteil zu deren Verfestigung! Die derzeitigen arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumente streben ausschließlich eine Vermittlung von Menschen ohne Arbeit in den regulären Arbeitsmarkt an. Langzeitarbeitslose mit multiplen Vermittlungshemmnissen können allerdings die damit verbundenen Leistungsanforderungen in den meisten Fällen nicht erfüllen. Um dem ethischen Leitbild von Inklusion und Partizipation6 zu entsprechen, muss öffentlich geförderte Beschäftigung (d.h. geeignete wertschöpfende Arbeitsplätze) ein dauerhafter Bestandteil der Beschäftigungspolitik werden, die den individuell unterschiedlichen Leistungseinschränkungen von Langzeitarbeitslosen gerecht wird. Dass die Kirchen diese Forderung mit erfreulicher Deutlichkeit nennen7, ist aus Sicht der ökumenischen Arbeitsgruppe ebenfalls sehr zu begrüßen.
Wir erneuern unseren Vorschlag zur differenzierten Gestaltung von öffentlich geförderter Beschäftigung mit Blick auf die Menschen, deren Leistungsfähigkeit nicht den Anforderungen monetär wertschöpfender Arbeitsbedingungen entspricht: Teilhabe-Jobs als Element öffentlich geförderter Beschäftigung in einem integrierten Arbeitsmarkt.
Im Oktober 2013 hat sich die ökumenische AG für die Einführung von Teilhabe-Jobs ausgesprochen. In Ergänzung zu den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, bieten die Teilhabe-Jobs Beschäftigungsformen für dem regulären Arbeitsmarkt fernstehende Menschen, bei denen Wertschöpfung im erwerbswirtschaftlichen Sinn nicht gegeben ist. Die Konzeption der ökumenischen Arbeitsgruppe ist hier im Netz zu finden.
Bonn/Trier, den 28.5.2014
Anmerkungen: